Kommunalpolitische Bilanz
der 20. Wahlperiode
Nach drei Jahren Ampelkoalition wird deutlich: Die Koalitionspartner SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP haben für die Kommunen viel versprochen, aber wenig gehalten.
Videointerview mit
Petra Nicolaisen MdB
Petra Nicolaisen MdB
Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Die Ampelkoalition unterscheidet sich insbesondere in drei wesentlichen Punkten von vorherigen unionsgeführten Bundesregierungen: Statt die Kommunen finanziell zu unterstützen, belastet die Bundespolitik mehr und mehr die kommunale Finanzlage. Bei elementaren Herausforderungen, die bundespolitisch getrieben sind, lässt die Ampelkoalition die Kommunen im Stich. Im Umgang mit den Kommunen mangelt es der Ampelkoalition an Respekt vor den Kommunen und der kommunalen Selbstverwaltung. Ihre eigene Zielstellung, „leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, eine starke Wirtschaft und eine engagierte Zivilgesellschaft“ zu erreichen, erfüllt die Ampelkoalition nicht ansatzweise. Im Gegenteil: Die Kommunen werden seit Amtsantritt der Ampel-Regierung immer mehr belastet. Bei den Finanzen verzeichnen die Kommunen Rekorddefizite, die zu einem Gutteil aus bundespolitischen Entscheidungen herrühren.
Die öffentliche Daseinsvorsorge gerät durch Vorhaben der Ampelkoalition mehr und mehr unter Druck. Auch das Bekenntnis des Koalitionsvertrags, „gleichwertige Lebensverhältnisse sind die Basis für Vertrauen in unsere Demokratie und halten unser Land zusammen“, entpuppt sich zum Ende der laufenden Wahlperiode als Worthülse ohne inhaltliche Unterfütterung. Insgesamt folgt das Agieren der Bundesregierung und der Ampelfraktionen einem Muster: Wortreichen Ankündigungen folgen unambitionierte Umsetzungsversuche, die dann häufig zerredet und unnötig aufgehalten werden.
Für die Kommunen bedeutet dies einen Verlust an Verlässlichkeit und Planbarkeit. Sie haben nach dem Regierungswechsel 2021 einen starken Partner verloren und sind zu Bittstellern degradiert worden. Die Zielvorgabe des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legt den Bewertungsmaßstab für die kommunalpolitische Bilanz der 20. Wahlperiode fest: Gelingt es der Bundesregierung, die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu steigern und deren Entscheidungsfreiheit vor Ort zu verbessern sowie die öffentliche Daseinsvorsorge zu stützen und einen Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen zu leisten?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung sind insbesondere die Bereiche
- Finanzen
- Mobilität und Breitbandversorgung
- kommunale Selbstverwaltung
- Entwicklung der Städte und städtischen Ballungszentren
- Entwicklung der ländlichen Räume
- Infrastruktur und kommunale Unternehmen
- sowie weitere Themen wie die Flüchtlingspolitik und die Berücksichtigung gleichwertiger Lebensverhältnisse ausschlaggebend.
Bereits früh in der Wahlperiode hatte sich ein Trend abgezeichnet, dass die Zeiten für die Kommunen schwerer werden und der Bund nicht mehr in dem Maße wie in den zurückliegenden Jahren ein verlässlicher Partner der Kommunen ist. Diesen Trend setzt die Ampelkoalition bis zum Schluss fort. Die Kommunalfinanzen werden belastet und die Kommunen in neue Defizite getrieben. Bei Mobilität und Breitbandversorgung fehlt es am nötigen Elan. Die kommunale Selbstverwaltung gerät unter Druck. Städtische Ballungszentren werden durch eine Urbanisierungsstrategie überlastet statt gestärkt und ländliche Räume im Gegenzug durch eine Politik, die zu sehr aus der großstädtischen Perspektive getrieben ist, geschwächt. Kommunale Infrastruktur und kommunale Unternehmen geraten ins Hintertreffen. Bei der Bewältigung der flüchtlingsbedingten Lasten lässt die Ampelkoalition die Kommunen im Stich, und gleichwertige Lebensverhältnisse werden stiefmütterlich behandelt.
Hinzukommt fehlender Respekt im Umgang mit den Kommunen. Dies spiegelt sich nicht nur in verweigerten Krisen-Gipfeln wider, sondern auch im regelmäßigen Umgang miteinander im Rahmen der Gesetzgebung. Immer wieder sind Fristen zur Abgabe von Stellungnahmen kommunal relevanter Bundesgesetze so kurz bemessen gewesen, dass eine angemessene Bewertung nicht möglich gewesen ist. Entgegen anderslautender Behauptungen der Bundesregierung ist eine besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens oftmals nicht erkennbar gewesen. Offensichtlich ist die Bundesregierung an einer offenen Stellungnahme derer, die ihre Gesetze umsetzen und Standardsetzungen erfüllen müssen, nicht interessiert gewesen. Dieser Umgang miteinander zeugt von Respektlosigkeit.
Die Zeiten, in denen sich die Kommunen auf den Bund als ihren starken Partner verlassen konnten, sind seit dem Ende der unionsgeführten Bundesregierung erst einmal vorbei gewesen. Das vorzeitige Ende der Ampelkoalition hilft den Kommunen zwar nur bedingt in ihrer Lage, bewahrt sie aber zumindest teilweise vor weiterem Ungemach, das aus Maßnahmen, die nunmehr nicht mehr umgesetzt werden, hätten erwachsen können – und eröffnet ihnen die Chance auf einen Neustart im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen in der kommenden Wahlperiode.
Die öffentliche Daseinsvorsorge gerät durch Vorhaben der Ampelkoalition mehr und mehr unter Druck. Auch das Bekenntnis des Koalitionsvertrags, „gleichwertige Lebensverhältnisse sind die Basis für Vertrauen in unsere Demokratie und halten unser Land zusammen“, entpuppt sich zum Ende der laufenden Wahlperiode als Worthülse ohne inhaltliche Unterfütterung. Insgesamt folgt das Agieren der Bundesregierung und der Ampelfraktionen einem Muster: Wortreichen Ankündigungen folgen unambitionierte Umsetzungsversuche, die dann häufig zerredet und unnötig aufgehalten werden.
Für die Kommunen bedeutet dies einen Verlust an Verlässlichkeit und Planbarkeit. Sie haben nach dem Regierungswechsel 2021 einen starken Partner verloren und sind zu Bittstellern degradiert worden. Die Zielvorgabe des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legt den Bewertungsmaßstab für die kommunalpolitische Bilanz der 20. Wahlperiode fest: Gelingt es der Bundesregierung, die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu steigern und deren Entscheidungsfreiheit vor Ort zu verbessern sowie die öffentliche Daseinsvorsorge zu stützen und einen Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen zu leisten?
Kommunalfinanzen – Defizit der Kommunen kommt
nicht von ungefähr
Ausgehend von einer sehr guten Finanzlage zum Ende der vergangenen Wahlperiode trüben sich die finanziellen Perspektiven der Kommunen (Auswertung bezogen auf die Flächenländer) nach dem Regierungswechsel ein: Nach dem Überschuss von bundesweit 2,15 Milliarden Euro im Jahr 2022 haben die Kommunen im Jahr 2023 erstmals wieder ein Defizit verzeichnen müssen. Dabei reicht das Defizit in Höhe von 6,214 Milliarden Euro im Jahr 2023 nahe an das Niveau des Defizits im Jahr 2010 (-6,874 Milliarden Euro) und 2009 (-7,471 Milliarden Euro) heran – mit dem entscheidenden Unterschied: Die Defizite 2009/2010 waren krisenbedingt mit anschließender Erholung der Kommunalfinanzen. Von solch einer Erholung ist aktuell nicht auszugehen. Im Gegenteil: Für 2024 zeichnet sich ein Rekorddefizit ab.
Das Defizit wird auch durch Ausgaben der Kommunen getrieben, denen die Einnahmeseite nicht mehr nachkommen kann. Ein Gutteil der kommunalen Ausgabensteigerung und des Kommunaldefizits von 6,214 Milliarden Euro geht auf bundespolitische Entscheidungen zurück: Der Deutsche Bundestag hat 41 Gesetze verabschiedet, mit denen die kommunalen Haushalte allein in der laufenden Wahlperiode bis 2025 mit über 21,443 Milliarden Euro belastet werden. Dem stehen Entlastungen durch Bundesgesetze in Höhe von rund 2,427 Milliarden Euro im selben Zeitraum gegenüber. Die jährliche Belastung liegt in der laufenden Wahlperiode und auch ab 2026 bei über 4,6 Milliarden Euro – also bei zwei Dritteln des Defizits der Kommunen in den Flächenländern im Jahr 2023. In den vergangenen Wahlperioden umgesetzte Stärkungsansätze der Kommunalfinanzen werden durch die Politik der aktuellen Bundesregierung aufgezehrt. Die Kommunen werden langfristig finanziell belastet. Sie können sich die Politik der Ampelkoalition nicht mehr leisten.
Die Ampelkoalition hat die Kommunalfinanzen sehenden Auges vor die Wand gefahren. Dagegen hilft auch nicht, dass das Bundesfinanzministerium kurz vor der parlamentarischen Sommerpause eine lange angekündigte Fachkonferenz angesetzt hat, um über zukunftsfähige Kommunalfinanzen zu beraten. Der Ansatz verpuffte ebenso wie das Vorhaben einer kommunalen Altschuldenlösung, mit dem der amtierende Bundeskanzler schon als Bundesfinanzminister an der eigenen Ambitionslosigkeit gescheitert ist.
Die Bundesregierung interpretiert in der nunmehr zu Ende gehenden Wahlperiode Konnexität im Sinne der „Verwaltungskonnexität“ und hat dies konsequent angewandt. Das bedeutet, dass „diejenige Ebene die Kosten trägt, welche die Aufgabe wahrnimmt, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt.“ Die Ampelregierung hat immer wieder „bestellt“, will aber nicht bezahlen. Das Prinzip „wer bestellt, bezahlt“ spielt in dieser Wahlperiode keine Rolle.
Bei der Umsatzsteuer sorgt die Bundesregierung für unnötige Unruhe und schafft keine Rechtssicherheit hinsichtlich interkommunaler Zusammenarbeit. Bei der Besteuerung interkommunaler Zusammenarbeit liegen verlorene Jahre hinter den Kommunen. Statt offene Fragen und Zweifelsfälle zu klären und auszuräumen, um so den Kommunen Planungssicherheit bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe zu machen, verlängert die Ampelkoalition die Frist zur Anwendung der Neuregelung mehrfach und riskiert dabei ein Vertragsverletzungsverfahren – eventuell aber auch ein Beihilfeverletzungsverfahren, dessen Folgen die Kommunen ausbaden müssten.
Mit dem Jahressteuergesetz sollten ursprünglich Eintrittsgelder in Schwimmbäder von der Umsatzsteuer befreit werden. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf kommunale Investitionsmöglichkeiten gehabt und diese erheblich verteuert. Nach massivem Protest auch aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben die Ampelfraktionen im parlamentarischen Verfahren die geplante Neuregelung zurückgenommen.
Mobilität und Breitbandversorgung – Bundesregierung
agiert halbherzig und hängt ländliche Räume ab
Mit 1,2 Milliarden Euro hat die Bundesregierung über die Änderung des Regionalisierungsgesetzes im Mai 2022 den Ländern weitere Belastungen des ÖPNV aufgrund der Corona-Pandemie ausgeglichen. Für den ÖPNV ist dies ein gutes Signal. Allerdings wurde dies durch die gleichzeitige Einführung des 9-Euro-Tickets, das mit nicht unerheblichen Risiken für den ÖPNV und die kommunalen Aufgabenträger verbunden ist, wieder abgeschwächt.
Das im Rahmen des Energie-Entlastungspakets vereinbarte und zum 1. Juni 2022 gestartete 9-Euro-Ticket ist ein „Brot- und Spiele“-Programm insbesondere für das grüne Klientel in städtischen Ballungszentren gewesen. Auch von dem seit Mai 2023 geltenden 49-Euro-Ticket profitieren die Bewohner städtischer Ballungszentren deutlich mehr. Dort ist ein entsprechendes Angebot vorhanden. Für Menschen auf dem Land brachte das „Entlastungsangebot“ keine wirkliche Verbesserung. Erst muss der ÖPNV attraktiver und dichter werden, dann kann man darüber nachdenken, die Preise zu senken. Das wären die richtigen Prioritäten, statt den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Das geht insbesondere zulasten ländlicher Räume und ist kein Ansatz zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Das eigentlich im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, die Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern, wurde weder mit dem 9-Euro-Ticket noch mit dem 49-Euro-Ticket erfüllt.
Für gleichwertige Lebensverhältnisse, insbesondere in ländlichen Räumen, ist auch eine gute Breitbandversorgung von Bedeutung. Dabei hängt die Ampel-Koalition ländliche Räume bei der Versorgung mit schnellem Internet ab.
Kommunale Selbstverwaltung – Immer neue Aufgaben
für die Verwaltung vor Ort
Es soll keiner sagen, die Ampelkoalition denke nicht an die Kommunen. Zumindest bei der Erfindung neuer Aufgaben für die Kommunen stehen diese im Mittelpunkt bundespolitischen Wirkens.
Offensichtlich besteht in der Bundesregierung der Eindruck, dass Kommunalverwaltungen noch nicht ausgelastet seien. Sei es die Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften oder die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag, die Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes, die Kontrolle der Cannabis-Freigabe, die Ausweitung der Hochbaustatistik oder die Wärmeplanung – alles wird bei den Kommunen abgeladen. Wie das bei der aktuellen Fachkräftesituation und zusätzlich zu den bereits bestehenden Aufgaben überhaupt erreicht werden kann, spielt für die Koalitionäre keine Rolle.
Im Gegenzug erfolgen mit Änderungen des Raumordnungsgesetzes oder dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung. Beim Digitalpakt warten die Kommunen vergeblich auf die angekündigte Fortsetzung. Das Startchancen-Programm startet verspätet und verpasst Chancen.
Immerhin konnte die Problematik der Anrechnung von Aufwandsentschädigungen aus kommunalem Ehrenamt auf vorzeitigen Rentenbezug durch dauerhafte deutliche Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen beendet werden. Zu einer bundesgesetzlichen Klarstellung, die Rentenversicherungsbeiträge auf kommunale Aufwandsentschädigungen ausschließt, konnte sich die Bundesregierung hingegen nicht durchringen.
Die im Rahmen der geplanten BauGB-Novelle von der Bundesregierung geplante weitere Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich zeugt von geringem Verständnis für und Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung.
Entwicklung der Städte und städtischen
Ballungszentren
Bei der Entwicklung der Städte und städtischen Ballungszentren konnte die Ampel-Koalition an Initiativen anknüpfen, die die unionsgeführte Bundesregierung in der 19. Wahlperiode angeschoben hatte. Gleichwohl bleiben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück, was insbesondere daran liegt, dass der von der Bundesregierung geplante Bau-Turbo nicht gezündet hat. Der Druck auf den Mietwohnungsmarkt wirkt insbesondere auf städtische Ballungszentren. Verstärkt wird dies durch die Urbanisierungspolitik der Bundesregierung, die an verschiedenen Stellen erkennbar wird und mit der die Bundesregierung eine Sogwirkung hinein in städtische Ballungszentren befeuert, statt diese zu entlasten.
Entwicklung der ländlichen Räume
Auch die Entwicklung ländlicher Räume hängt vom durch die Bundesregierung befeuerten Urbanisierungsdruck ab. Dieser schlägt sich nicht nur in verkehrspolitischen Projekten wie dem 9-Euro-Ticket und dem 49-Euro-Ticket nieder, sondern beispielsweise auch im Umgang mit dem Wolf, bei dem Bedürfnisse ländlicher Räume klein geredet werden.
Auch der schleppende Breitband- und Mobilfunkausbau hemmt das Entwicklungspotenzial ländlicher Räume. Gleichzeitig belasten unter anderem Änderungen bei der LKW-Maut und der Ausbau erneuerbarer Energien die Bewohner ländlicher Räume stärker als in städtischen Ballungsgebieten.
Mit der Krankenhausreform gefährden die Bundesregierung und die sie tragenden Ampel-Fraktionen die Gesundheitsversorgung insbesondere in dünner besiedelten ländlichen Räumen. Gleiches gilt für die Sicherung von Apothekenstandorten, bei der die Arbeit der Bundesregierung weit hinter dem zurückbleibt, was zur Sicherung einer angemessenen Medikamentenversorgung erforderlich wäre.
Infrastruktur und kommunale Unternehmen
Für die kommunale Infrastruktur und die kommunalen Unternehmen fällt der Blick mit gemischten Gefühlen auf die vergangenen drei Jahre. Die Verlängerung von Fristen zum Abruf von Investitionsmitteln zum Ausbau der Kinderbetreuung war richtig, wenn auch nicht ausreichend. Die Weiterentwicklung der Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung entpuppt sich eher als Mogelpackung, wenn die Ampelregierung Mittel zur Beitragsbefreiung bereitstellt, statt für die tatsächliche Verbesserung der Betreuungsqualität zu sorgen.
Bei der Absicherung der Gasbeschaffung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eine Einbeziehung auch der – in der Regel kleinen – kommunalen Stadtwerke, die das Gas nicht an der Börse beziehen, mit dem Hinweis abgelehnt, dass man sich nicht um jedes Stadtwerk kümmern könne. Offensichtlich hält die Bundesregierung die kommunalen Unternehmen nicht für systemrelevant und verkennt damit deren Bedeutung für das tägliche Leben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit den Kosten für Investitionen, die erforderlich sein werden, um energiepolitische Vorgaben des Bundes umsetzen zu können, lässt die Bundesregierung die kommunalen Stadtwerke allein – und gefährdet damit die Tragfähigkeit der Kommunalfinanzen.
Problematisch ist die Gasbeschaffungsumlage gewesen, deren kurzfristige Absage wenige Tage vor Inkrafttreten die mit der Umsetzung befassten Versorgungsunternehmen viel Geld gekostet hat. Das Gesetz zur Aufteilung der Kohlendioxidkosten belastet kommunale Wohnungsunternehmen. Mit der Krankenhausreform gefährden die Bundesregierung und die sie tragenden Ampel-Fraktionen die Zukunft kommunaler Gesundheitseinrichtungen.
Bei der Sicherung des Katastrophenschutzes stand die Bundesregierung insbesondere beim Ausbau des Digitalfunks auf der Bremse. Die auch für Feuerwehren und Rettungsdienste wichtige Fortentwicklung und die Bereitstellung erforderlicher Haushaltsmittel im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2025 ist nur auf Druck unter anderem aus CDU und CSU erfolgt.
Migration und Integration – Haltung des Bundes ist für
die Kommunen enttäuschend
Die aktuelle Migrationslage bringt die Kommunen an ihre Belastungsgrenzen bei Unterbringung, Betreuung und Integration. Es fehlt an ausreichenden Wohnraumkapazitäten sowie an Angeboten zur Betreuung und Integration, beispielsweise in Kindertagesstätten und Schulen. Die aktuelle Migrationslage bringt die Kommunen auch an ihre Belastungsgrenzen hinsichtlich der finanziellen Möglichkeiten.
Der Bund unterstützte im Jahr 2022 Länder und Kommunen mit rund 3,8 Milliarden Euro und stellte im Jahr 2023 rund 3,75 Milliarden Euro für Unterbringung, Betreuung und Integration zur Verfügung. Für 2024 ist eine Weiterentwicklung der Migrationspauschale zu einer Pro-Kopf-Pauschale (7.500 Euro pro Erstantrag) vereinbart, die jedoch keinesfalls auskömmlich die Mehrausgaben der Kommunen abdeckt. Nicht hilfreich ist, dass die Ampel offensichtlich weiterhin nicht gewillt ist, zur vollständigen Übernahme der Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge zurückzukehren.
Auch bleibt weiterhin die besondere kommunale Belastung durch unbegleitete Minderjährige bestehen. Der Verweis der Bundesregierung auf satte Überschüsse der Kommunen als Begründung für die Verweigerung einer langfristig tragfähigen Kompensation flüchtlingsbedingter Mehrausgaben läuft mit Blick auf die Ergebnisse 2023 und die Vorhersagen für den Jahresabschluss 2024 ins Leere. Die Kommunen haben das Jahr mit einem erheblichen Defizit abgeschlossen, und Überschüsse sind bei den Kommunen mittelfristig nicht mehr zu erwarten.
Die Ergebnisse mehrerer Ministerpräsidentenkonferenzen mit dem Bundeskanzler waren für die Kommunen enttäuschend: Dass sich Bundeskanzler Scholz mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. März 2024 zu einer Migrations-MPK trifft, um zu wiederholen, was man bereits vereinbart hatte, ist ein Armutszeugnis.
Dass von diesen Vereinbarungen kaum etwas so umgesetzt worden ist, dass es tatsächlich wirkt und insbesondere die Kommunen entlastet, lässt die Realitätsverweigerung der Bundesregierung erkennen. Die Behauptung des Bundeskanzlers, alles sei abgearbeitet, erweist sich nicht ansatzweise als haltbar. Wenn überhaupt, agiert die Bundesregierung allenfalls halbherzig. Dabei werden die Kommunen in die Gespräche zur Steuerung der Flüchtlingsströme nicht eingebunden. Es hilft den Kommunen nicht, dass über sie gesprochen wird. Wichtig wäre gewesen, mit ihnen zu sprechen und sie von vornherein in die Bund-Länder-Vereinbarungen eng einzubinden. Diesen Respekt vor denen, die die Hauptlast zu tragen haben, hat die Ampelregierung verweigert.
Ausgabendynamik der kommunalen sozialen Leistungen
2022
2023 (+11,7%)
Ungebremste Migration
Asylanträge seit 2022
Gleichwertige Lebensverhältnisse – Der
„blinde Fleck“ der Ampelkoalition
Bei der Zielstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse hat die Ampelkoalition einen „blinden Fleck“. Deren Entscheidungen werden zu oft aus der großstädtischen Perspektive getroffen, was einen Urbanisierungsdruck befeuert. Dieser konterkariert die Zielstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und verschärft die Situation sowohl in ländlichen Räumen als auch in städtischen Ballungszentren. Die Energie-, Wärme- und Verkehrswende wird zu sehr aus der (groß-)städtischen Perspektive betrieben. Leitlinien einer nachhaltigen Entwicklung und die Zielstellung der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse werden kaum in die Überlegungen einbezogen. Was in Flensburg mit einer nahezu flächendeckenden Fernwärmeversorgung seit jeher umgesetzt wird und in städtischen Ballungszentren machbar erscheint, ist nicht zwingend für die Lüneburger Heide oder die Uckermark geeignet. Eine Wärmeplanung muss auch praktisch und zu vertretbaren Kosten umsetzbar sein. Dabei dürfen Bewohner einzelner Siedlungsbereiche sowie betroffene Kommunen und ihre Stadtwerke nicht überfordert werden. Bei der Verkehrswende setzt die Politik der Bundesregierung auf die vermeintliche Stärkung des ÖPNV und entzieht diesem mit der Umsetzung des 49-Euro-Tickets notwendige Finanzmittel zum Ausbau und zur Qualitätsverbesserung in ländlichen Regionen. Wo kaum ein Bus fährt, nutzt ein günstiger Ticketpreis nichts. Die Energiewende wird sehr auf ländliche Räume fokussiert – insbesondere hinsichtlich der Lastenteilung. Sei es mit neuen Windrädern, Agri-PV-Anlagen oder Freiflächen-PV-Anlagen – ländliche Räume tragen einen weit größeren Anteil an der Energiewende als städtische Ballungszentren. Beim Ausbau der Windenergie hat die Ampel-Regierung dies sogar im Gesetz festgeschrieben und die Vorgaben für städtische Ballungszentren deutlich abgeschwächt. Gleichzeitig werden Planungsmöglichkeiten der Kommunen immer weiter eingeschränkt.
In der praktischen Politikgestaltung spielen gleichwertige Lebensverhältnisse allenfalls eine untergeordnete Rolle. Im Parlamentarischen Verfahren kommen sie so gut wie gar nicht vor. Die Regierungsfraktionen haben die Einsetzung eines Parlamentarischen Beirats für gleichwertige Lebensverhältnisse im Deutschen Bundestag abgelehnt. Damit wurde eine große Chance vertan, in der Arbeit des Deutschen Bundestages Aspekte gleichwertiger Lebensverhältnisse als Querschnittsthema hervorzuheben. Obwohl die Kommission zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der 19. Wahlperiode die Einführung eines „Gleichwertigkeits-Checks“ in der Gesetzesfolgenabschätzung vorgeschlagen hatte und die Ampelkoalition für die 20. Wahlperiode im Koalitionsvertrag ausdrücklich die Erweiterung der Gesetzesfolgen-Prüfung vereinbart hat, wird der Ansatz eines „Gleichwertigkeits-Checks“ in der Gesetzesfolgenabschätzung in der 20. Wahlperiode nicht in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) verankert. Eine mögliche Prüfung im Rahmen weiterer Gesetzesfolgen hat lediglich appellativen Charakter. Auswirkungen auf gleichwertige Lebensverhältnisse gehören nicht zu den ausdrücklich in der GGO genannten Gesetzesfolgen. Dabei könnten damit Auswirkungen der Gesetzgebung unter anderem auf ländliche Räume und städtische Ballungszentren sowie strukturstarke und strukturschwächere Regionen offengelegt und Wechselwirkungen besser in der Gesetzgebung berücksichtigt werden.
Der Gleichwertigkeitsbericht 2024, den die Bundesregierung im Sommer 2024 vorgelegt hatte, macht zwar Mut zur Hoffnung, zeigt aber auch die Schwächen der Ampelpolitik auf. Auch beim Gleichwertigkeitsbericht 2024 wird deutlich, dass Reden und Handeln der Bundesregierung nicht übereinstimmen bzw. richtige Zielstellungen nicht konsequent angegangen werden. Die Ampelkoalition zieht aus dem Bericht die falschen Schlüsse und fokussiert sich auf Aspekte, bei denen im Bericht bereits deutlich wird, dass sie nicht weiterhelfen. Konkrete Hinweise wie die Bundesregierung den Wegzug aus vielen Regionen und den Druck auf die Ballungsräume künftig dämpfen will, oder ein klares Signal, dass beispielsweise ein Leben auf dem Land erstrebenswert und zukunftsfähig ist, fehlen.